Landstrich Kulturzeitschrift Privat

Privat.Sphäre

Sie hatte ihn nach dreiunddreißig Jahren verlassen. Sie hatte ihn betrogen. Mit einer Jugendliebe. Nach Nächten der verzehrenden, selbstquälerischen Suche nach den Ursachen, hatte er zum ersten Mal wieder geschlafen, drei oder vier traumlose Stunden vielleicht. Er hatte es allmählich aufgegeben, jemals ein Antwort auf sein „Warum“ zu erhalten.
Er erhielt sie von einem EDV-Spezialisten des universitären Rechenzentrums, bei dem er nun saß.

Vor einigen Wochen hatte es an ihrem Laptop, den er ihr geschenkt hatte und der im Netzwerk ihrer Wohnung eingebunden war, ein technisches Problem gegeben. Sie konnte eine Email an ihre eigene Büroadresse nicht abschicken. Sie war darüber ärgerlich, als sie ihn weniger um Hilfe bat – sie ließ sich von ihm nur ungern helfen –, als einfach nur auf diese von ihr im Innersten ungeliebte Technik schimpfte. Wie immer reagierte er auf den Appell, der in ihrer Suada steckte und den er gewohnt war, früh zu erkennen.


Kubin-Haus Zwickledt, Wernstein

Präsentation der Landstrich-Ausgabe 2009 „Privat“ im Rahmen der Ausstellung Ingrid Pröller unter Mitwirkung von AutorInnen am Sonntag, 14. Juni 2009, 15 Uhr

Landstrich Kulturzeitschrift Privat
[Fotos: Maria Peer]

Landstrich Kulturzeitschrift Privat

Wilhelm Rager, Martin Ortmeier, Friedrich Hirschl, Werner Stangl, Reinhard Winkler, Adelheid Dahimène

Von der Präsentation der Landstrich-Ausgabe 2009 „Privat“ im Rahmen der Ausstellung Ingrid Pröller gibt es eine „Fotostrecke“ von Reinhard Winkler auf dessen Homepage: http://www.reinhardwinkler.at/

„Privat“ steht für persönlich, vertraulich, familiär, häuslich, nicht öffentlich – also für das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Jedoch der „gläserne Mensch“ ist längst kein utopisches Wesen mehr. Die modernen Arbeitstechniken führen häufig zur Durchdringung von Job und Privatleben. Datenschutzbeauftragte und Gesellschaftskritiker warnen vor dem Verlust der Privatsphäre durch Überwachungsmaßnahmen.
Im Sog des medialen Interesses verschwimmen die Grenzen zwischen privat und öffentlich. Nicht nur Prominente, auch Privatpersonen geraten plötzlich ins Rampenlicht oder drängen hemmungslos dorthin.
Die Bevölkerung scheint nach dem Motto „ich habe nichts zu verbergen“ bereit, unter den Augen ausgeklügelter Überwachungsmechanismen vermeintlich sicher zu leben. Wie sonst wäre es erklärbar, dass Privates in Talkshows, im Internet, in Boulevardblättern oder bei für jedermann hörbaren Handygesprächen bereitwillig preisgegeben wird.
Quelle: http://www.landstrich.at/


Bestellung beim Kulturverein Landstrich, A-4786 Brunnenthal, Reikersberg 16. Tel. +43(0)7712/2719.
http://www.landstrich.at/

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Dr. Martin Ortmeier

    Dass es das gibt: eine Kulturzeitschrift fürs Land draußen, so weit weg von der Stadt, der Metropole!
    Mit leiser Selbstironie und frecher Doppeldeutigkeit hat sich diese oberösterreichische Zeitschrift „Landstrich“ genannt – und sie besteht nun schon seit Jahrzehnten.

    Am 14. Juni in Alfred Kubins Zwickledt hat sie wieder einmal bewiesen, dass sie Kraft und Geist hat für noch weitere Jahrzehnte. Die Lesungen Dahimenes, Hirschls, Stangls, Ragers … aus der aktuellen Ausgabe mit dem Titel „Privat“ waren vielfältig, kurzweilig, anregend.
    Es sei bekannt: Meine liebsten Seiten in der jüngsten Ausgabe sind die Prosa Maria Eliskases‘, die philosophischen Erwägungen Franz Xaver Hofers und die so leicht scheinenden wohlkomponierten Lichtbildporträts Reinhard Winklers.

    Martin Ortmeier

  2. adelheid dahimene

    Vielen Dank für den Beitrag!
    Ich hab schon unter Ihrer e-mail-Adresse zurückgeschrieben, aber der mailer-daemon hat mir die Post wieder retourniert.
    Jedenfalls war’s gestern wieder sehr schön und wir freuen uns auf den nächsten Landstrich im selben Ambiente.
    Alles Gute und schöne Grüße,
    Adelheid Dahimène

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