Es muss zwischen 1959 und 1961 gewesen sein. Ich ging damals in eine der ersten Klassen des Gymnasiums in der Diefenbachgasse und nahm mit meinen 35 Mitschülern an einer Exkursion in das Funkhaus teil, die von unserem Klassenvorstand Herrmann Mayer organisiert worden war. Da er als Literaturbegeisterter – er war Herausgeber der „Neuen Wege“, in denen ich später meine ersten literarischen Versuche veröffentlichen durfte – uns für alles interessieren wollte, was mit Sprache zu tun hat, sollten wir auch erfahren, wie Rundfunk funktioniert und wie Theaterstücke in einem Studio aufgenommen werden. Nach einer ausgedehnten Führung durch einen Mitarbeiter sollten wir nun auch in einem Tonstudio ausprobieren, wie eine solche Aufzeichnung vor sich geht. Es hieß „Freiwillige vor!“ Ich meldete mich schließlich mit meinem Klassenkameraden Rainer, da sich kein anderer getraute. Wir wurden durch eine gepolsterte Tür in einen abgedunkelten Raum geführt, in dem ein bedrohlich großes Mikrophon von der Decke hing. Allein mit Rainer stand ich da und starrte abwechselnd auf das Mikrophon und das große erleuchtete Fenster, hinter dem ein Tontechniker an einem Mischpult saß, umringt von meinen Klassenkameraden. Über einen Lautsprecher kam die Aufforderung, mit dem Sprechen zu beginnen. Ich blicke meinen Freund an, er blickte mich an. „Du!“ „Nein, Du!“ war alles, was wir herausbrachten. Schließlich begann ich aus Verlegenheit zu lachen und mein Freund stimmte in das Lachen ein. Jedes Mal, wenn einer von uns versuchte, etwas zu sagen, begann der andere zu lachen. Es hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Schließlich erlöste uns der Tontechniker mit einem kurzen „Danke!“ und wir verließen beschämt das Aufnahmestudio. Wohl aus Rücksicht hat uns später niemand auf diese peinliche Geschichte angesprochen. Seither saß ich, beruflich bedingt, immer wieder in einem Ton-Studio vor einem Mikrophon – erst jüngst im ORF-Linz für ein Ferninterview zur Sendung „Moment – Leben heute“ -, doch jedes Mal, wenn ich ein solches dickes, gepolstertes Mikrophon sehe, erinnere ich mich an dieses erste Erlebnis. Ohne zu lachen.


Beitrag zur FUNKHAUS Anthologie. Festschrift anlässlich des 50. Geburtstages von Ö1.
Gerhard Ruiss & Ulrike Stecher (Hg.) / IG Autorinnen Autoren. Verlag Autorensolidarität 2017. (S. 97-98)