Abschied

Du hieltest lang in deinen Händen
das dunkle Gesicht der Nacht,
als wäre es von einem Dämmern erhellt.
Beim Abschied sah ich, wie die Sonne
in den Buchten deiner Augen erlosch.
Wann werde ich mein Land wiedersehen,
den Horizont deines Gesichts?
Ich werde andere Himmel sehen,
an Quellen andrer Lippen trinken,
duftend und nächtlich,
doch wenn der verhängnisfarbene Traum
die verklingende Erinnerung entfacht,
beklage ich den Verlust der Heimat,
dürste nach dem Regen deiner Augen.
Achtlos fließt der Tag
vor den Fenstern der Fremde.
Lasst mir die Hoffnung.

Das alte Zimmer

Die Jalousien haben alles Licht getrunken,
die Rahmen an den Wänden
verweigern ihre Bilder.
Die Stimmen im Flur
haben keine Spuren hinterlassen.
Ich habe sie an den Schritten erkannt.
Alle.
Das Glas der Zukunft ist geleert.
Es riecht nach Erde,
wenn der gelbe Nebel
seinen Rücken an den Scheiben reibt.

Kindheit

Du Splittersammlerin Seele.
Ich fand versteckt hinter dem Haus
mich selbst wie ein erloschenes Zündholz.
Der Tisch war gedeckt.
Das Haus ist verkauft.
Erst in der Ferne
weiß ich,
was ich da war.
Es reihen sich mir die Tage.
Ich werde alt sein, wenn ich es bin.
Nichts weiter.
Dass ich mir die Vergangenheit
nicht stahl
und mitnahm.

Danach

Der Sturm war süß.
Die Ankunft durchschnitten vom Blitz,
verzweigt wie ein kostbarer Baum,
aus dem zaghaft der Himmel
auf die trinkende Erde tropft.
Der frühe Mond
hinter den Fenstern
mischt Lichtflecke in die Schatten.
Du zitterst vor Leben
und streckst dich in eine Leere.
Wer hatte die Flamme entzündet?
Das Laken im Zimmer
bleibt eine blühende Wunde.
Die Sterne sind Knöpfe vom Perlmutt
und der Abend trägt Samt.

Der Stadt entgegen

Der Tag wickelt sich aus der Nacht.
Seine Fühler summen.
Jetzt hängt er frei im Himmel
wie ein Weltkörper rollend.
Die Sonne schwimmt über den Horizont,
der Strom der Asphaltbahnen treibt hin,
breit zur grünen Küste der Hügel.

Der Wind spielt mit den Stunden
um Werden und Sein, um Leben und Sterben.
Der Kessel erwachendes Feuer
singt an der Kruste des zerbrochenen Flügels,
und drückt seine zähe Last
durch das regenbogenfarbene Tor voraus
zur Stadt hin.

Unter dem wallenden Segel am Himmel aber
gleitet und stolpert der kohlschwarze Schatten
wie ein Fuß über die Häuser und Plätze,
über das Geschrei der Händler
und das Gespött der Gottlosen
hinweg.

Zeitenwelke

Angehäuft sind da ernsthaft Monate,
verhüllt in einem Gewand
aus den Fäden versäumter Tage gewoben.
Die Uhr, die auf dem Land sich ins Moos gelegt,
auseinandergebrochen und verwundet,
eine verschattete Spur unter dem Keil der Zeiger.
Das sind die Zeiten, die weder Finger noch Licht einfingen,
kostbarer als ein zerbrochener Fächer aus der Hand der Geliebten,
stummer als der Flügel einer entflohenen Hoffnung.
Das ist die hochzeitliche Zeit der erlösten Träume,
die Blütenblättern gleich wie flüchtige Schirme
hinabtaumeln.
Verwelken.

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