Meine Gedanken kreisten im letzten Jahr immer um eine Frage: Wie konnte es geschehen, dass einer seine Liebe für den anderen verlor, und der andere seine Liebe bewahrte. Und das, obwohl beide doch in den vielen Jahren ähnliche Krisen durchlebten, beruflich und privat, gemeinsam und allein, gleichzeitig und nacheinander, ausgesprochen und unausgesprochen.
Nun habe ich in diesem Jahr der Trennung eine Antwort gefunden und möchte sie an dich, die die Liebe irgendwann verloren hatte, wenigstens weitergeben. Eine Antwort, die ich unter sehr viel Trauer, Schmerz und Wehmut erfahren habe, die auch nichts an den Geschehnissen ändern kann. Ich habe die Antwort auf diese Frage, die du dir vielleicht gar nicht gestellt hast, gefunden, weil ich plötzlich in allem, was ich tat, eine Leere spürte. Zuerst hielt ich die ersten Gedanken für Banalitäten, denn was hatte das alles mit der Größe einer Liebe zu tun, mit der Größe unserer Liebe …

Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich beim Abwaschen des Frühstückgeschirrs dachte, ich tue es für uns beide, aus Liebe …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich beim Bettenmachen daran dachte, dass du ein aufgeräumtes Schlafzimmer vorfindest, weil du vielleicht mehr die Ordnung liebst als ich, und weil ich dich liebe …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich für dich im Internet recherchiert habe, obwohl ich mit meiner eigenen Arbeit in Zeitnot war, weil ich dich liebe …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich das verstopfte WC wieder freimachte, was wahrlich keine angenehme Arbeit war, aber ich sagte mit, ich tue es, weil ich dich liebe …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich Erledigungen für dich machte, damit du mehr Zeit für dich hast, und ich dachte auf dem Weg zur Putzerei oder in die Änderungsschneiderei, dass ich diesen Umweg mache, weil ich dich liebe …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich an meinem freien Tag Stunden damit zubrachte, den Abfluss der Badewanne von deinen Haaren freizubekommen , weil ich dabei daran dachte, wie sehr ich deine Haare und dich liebte …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich beim Einkaufen daran dachte, ich tue es für uns gemeinsam, weil ich dich liebe …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich an meinen freien Tagen für uns einkaufte und dabei dachte, ich tue es für uns gemeinsam, weil ich dich liebe…
Ich habe die Liebe bewahrt, weil wenn ich an meinen freien Tagen für uns beide kochte, schon beim Kochen immer an das gemeinsame Abendessen dachte, das ich für uns beide bereitete, weil ich dich
liebe …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich beim Aufstehen in der Nacht nur daran dachte, so leise zu sein, um dich ja nicht zu wecken, weil ich wusste, wie du den Schlaf brauchst, weil ich dich liebe …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich in der Zeit deines Auslandsaufenthaltes versuchte, für dich attraktiver zu werden und radikal abzunehmen, eleganteres Gewand zu kaufen, weil ich dich liebte …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich dir in manchem widersprochen habe, obwohl ich im Vorhinein wusste, dass es deinen Ärger erregen wird, weil ich überzeugt war, dass es das Richtige ist, und ich lieber deinen Zorn ertrug, als einfach aus Bequemlichkeit zu schweigen, weil ich dich liebte …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich in der Zeit deiner Abwesenheit die Erneuerungsarbeiten in der Wohnung wie eine neue Therme, oder einen neuen Boiler einzubauen, organisierte und dabei auf viel Freizeit verzichtete, weil ich dich liebte …
Ich habe die Liebe bewahrt, weil ich auf meine alten Tage versuchte, noch eine fremde Sprache zu lernen, weil ich wusste, wie du die Sprache liebst und dass ich vielleicht eines Tages mit dir gemeinsam jedes Jahr in diesem Land leben könnte, weil ich dich liebte …
Ich könnte noch viele solcher„Alltäglichkeiten“, die allein für sich genommen nicht so schwer wiegen, aber in der Summe mir in allem sagten: ich tue alles nur deshalb, weil ich dich liebe …
Und weil ich jetzt nach einem Jahr der Trennung spüre, dass ich eigentlich nur gelebt habe, weil ich dich liebe …

Ordnung Alltag

Diese Aufzählung soll wahrlich nicht sagen, dass du nicht genau so viel für mich und für uns getan hast. Du hast sehr viel für uns gemeinsam getan, vor allem organisiert und geplant, entschieden und durchgezogen. viele Dinge, die ich nicht so gerne tue. Du warst in vielem die Triebfeder unseres gemeinsamen Lebens. Doch was hast du dabei gedacht? Was waren deine Gedanken dabei?

So war alles Tun in meinem Leben stets durch den Gedanken bestimmt, ich tue es immer auch und besonders für den Menschen, den ich liebe. Und weil darunter auch manches nicht so Bequeme und Angenehme war, muss ich diesen Menschen doch wohl lieben, sagte ich mir, denn sonst würde ich es nicht tun. Man kann wohl nur drei Monate hungern, wenn man weiß, man tut es aus Liebe. Was ich an Gewicht abnahm, nahm ich an Liebe zu.

Auch wenn es Momente gab, in denen ich vielleicht hätte zweifeln können, zweifeln hätte müssen. Aber dann habe ich nur tief durchgeatmet, das Geschirr abgewaschen, die Betten gemacht, die Wäsche zugestellt oder sie zum Trocknen aufgehängt, bin für uns einkaufen gegangen, habe Blumen für dich gekauft oder dich auch nur damit überrascht, dass ich dir abends auf der Stiege entgegenging … und das tut man doch nur, sagten meine Gedanken dabei, wenn man den anderen liebt …

So habe ich in all den Jahren unseres Zusammenlebens nie auch nur einen Augenblick daran gezweifelt, eher wohl nicht einmal die Spur eines Zweifels in mir aufkommen lassen, dass ich dich nicht mehr lieben könnte. Diese Gedanken habe ich stets im Keim erstickt, indem ich einfach Dinge tat, die dir aber vor allem mir selber sagen und zeigen sollten: ich liebe dich.
Und wenn ich in einem meiner Gedichte von der Ordnung sprach, die heute in meinem Leben fehlt, so war es diese Ordnung, die meine Gedanken bei allem, was ich tat, begleitete: Die Liebe zu dir und alles immer aus Liebe zu dir zu tun war meine Ordnung.

Ordnung Alltag


[Verzeichnis der Texte]

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Raimund Lehmann

    Mit diesen Inhalten haben sie Recht. Ich denke aber auch, wenn man von Liebe beseelt ist, sie zu leben. Manchmal findet man Partner, die kann man mit Liebe nicht überfordern kann, das man dadurch die Liebe weg nimmt . Es gehört eine Portion Glück dazu, eine ähnliche Seele zu finden mit dem gleichen inneren Frieden oder das zum Frieden führt. In mir selbst soviel Liebe, die die meisten überfordert. Hatte einmal einen Unfall und empfand während des Unfallherganges so viel Liebe, was mich nie mehr verlassen hat. Das heißt nicht, dass mein Leben nur gerade aus läuft. Ich wünsche jedem Menschen alles erdenkliche Glück, kenne weder Neid noch Missgunst und trotzdem ist mein Weg noch weit. Versuche auch ohne Erwartungen zu leben, das ist aller Anfang von Unzufriedenheit und Not. Deshalb gefällt mir dieser Bericht. Grüsse an allle!

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