Tag 1
Ich stehe an der Ampel.
Alles ist da.
Menschen, Stimmen, Lichter, Geräusche.
Aber nichts davon gehört mir.
Die Welt ist laut –
aber ich klinge nicht mit.
Wie ein Sender,
leicht verstellt –
fast Empfang.
Fast ich.
Tag 4
Sie reden über alles Mögliche.
Schule, Serien, Zukunft.
Ich nicke.
Ich lächle.
Aber zwischen ihren Sätzen
höre ich etwas anderes.
Ein Summen,
ein inneres Rauschen,
als hätte mein Kopf
eine eigene Frequenz,
leise und schräg gestellt.
Nicht falsch.
Nur … verschoben.
Tag 9
Ich sitze in der Klasse.
Tafel, Stimme, Aufgaben.
Ich sehe alles.
Aber es rauscht.
Nicht laut,
aber gleichmäßig.
Wie Wasser hinter einer Wand.
Ich weiß, ich soll antworten.
Aber meine Gedanken
kommen mit Verzögerung an.
Tag 13
Ich schreibe.
Keine Texte für Noten.
Nur Worte,
die bleiben wollen.
Ich schreibe:
„Ich bin nicht laut.
Aber da.“
Und zum ersten Mal:
Ich lösche es nicht.
Tag 17
Jemand fragt:
„Was ist los mit dir?“
Ich sage nichts.
Wie soll ich erklären,
dass in mir ein Rauschen ist,
das nicht aufhört?
Nicht gefährlich.
Nur … da.
Ein Geräusch,
aus dem ich mich selbst zusammensetze.
Tag 21
Ich fange an, genauer hinzuhören.
Nicht auf das, was gesagt wird –
sondern auf das,
was zwischen den Worten liegt:
Das Zögern.
Den Nebensatz.
Das Echo.
Vielleicht bin ich auch nur das:
Echo.
Tag 30
Ich höre mich selbst.
Nicht klar.
Aber deutlich.
Und ich merke:
Das Rauschen gehört zu mir.
Ich muss es nicht loswerden.
Ich muss es verstehen.
Vielleicht bin ich nicht zu still –
vielleicht hat nur niemand
genau hingehört.
Oder ich selbst nicht.
Vielleicht bin ich genau der Moment
zwischen Frage und Antwort.
Und das reicht.
Dieses Gedicht stand auf der Shortlist des Literaturwettbewerbes 2025 „Kärnten wortwörtlich/Koroška v besedi“, veranstaltet von der Stadtgemeinde Bleiburg/Pliberk.