Harald Brachner hatte schon vieles interviewt: Lyrikerinnen mit scheuen Stimmen, Landwirte mit wettergegerbten Händen, einen Mann, der behauptete, sein ganzes Leben in sieben Kapiteln geträumt zu haben. Aber an diesem 23. Dezember, während über Freistadt eine Mischung aus Glühweinduft und dünnem Schneestaub hing, stand etwas anderes im Programmkalender des Literaturkreises Federspiel:

Interview mit dem Christkind. Live.

„Das ist Wahnsinn oder Magie“, murmelte Harald, während er durch den leeren Sender stapfte. Der Techniker hatte sich wegen plötzlich einsetzender „Vorweihnachtsgrippe“ verabschiedet, und so war Harald allein im Studio, umgeben von blinkenden Lämpchen und Geräten, die ihm stets ein wenig vorkamen wie überforderte Haustiere.

Um Punkt 19:00 Uhr klopfte es an der Tür.

Es war ein sanftes, aber bestimmtes Klopfen, wie von jemandem, der ganz genau wusste, dass Türen sich für ihn zu öffnen hatten. Harald holte tief Luft und öffnete.

Vor ihm stand das Christkind.

Jedenfalls stellte er das fest, nachdem er damit fertig war, sich selbst einzureden, es handle sich um eine besonders engagierte Schauspielerin. Das Wesen vor ihm hatte weder Flügel aus Plastik noch einen Heiligenschein; vielmehr trug es einen schlichten Wintermantel und eine Mütze aus hellem Stoff, aus der ein paar funkelnde Strähnen hervorquollen. Die Augen waren warm wie Kerzenlicht und alt wie Legenden, die Mütter beim Einschlafen flüsterten.

„Guten Abend, Herr Brachner“, sagte das Christkind. „Ich hoffe, wir beginnen pünktlich. Die Zeit ist in diesen Tagen … nun ja … dünner als sonst.“

Harald nickte, als wäre das vollkommen logisch. „Natürlich. Danke fürs Kommen.“

Sie nahmen im Studio Platz. Die Mikros rauschten kurz, dann glitt Haralds Stimme in die Live-Sendung.

„Liebe Hörerinnen und Hörer, heute haben wir im Freien Radio Freistadt einen besonderen Gast …“

Das Christkind lächelte, als wäre es an diese Art Understatement gewöhnt.

Die erste Frage war harmlos: „Wie schaffen Sie es jedes Jahr aufs Neue, rechtzeitig fertig zu werden?“
„Man lernt zu delegieren“, sagte das Christkind und zwinkerte mit den Augen. „Und man lernt, dass Perfektion überschätzt wird. Manchmal reicht es, da zu sein.“

Harald lachte nervös, doch plötzlich schien das ganze Studio leichter zu werden, als hätte jemand den Staub aus der Luft gesiebt.

Dann wagte er eine tiefere Frage: „Was bedeutet Ihnen Literatur?“

Da veränderte sich etwas. Die Lichter flackerten nicht, aber Harald hatte den Eindruck, als würde das Christkind ein Stück weit heller.

„Literatur ist das, was von den Menschen bleibt, wenn sie vergessen haben, wer sie sein wollten“, sagte es ruhig. „Sie sammelt die Wünsche, die Fehler, die Hoffnungen. Ich kann viel bringen – Spielsachen, Frieden, eine Handvoll Licht – aber Literatur … die schenken die Menschen sich selbst.“

Harald wusste plötzlich nicht mehr, ob er als Journalist oder als Mensch weiterfragen sollte. Doch das Christkind war ihm zuvor gekommen.

„Darf ich Ihnen auch eine Frage stellen?“

Harald nickte.

„Warum machen Sie Radio?“

Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Schließlich sagte er: „Weil ich glaube, dass Stimmen etwas in Bewegung setzen können. Auch wenn es nur zwei Menschen hören.“

Das Christkind lächelte. „Zwei Menschen reichen aus, um ein Wunder zu beginnen.“

Die Sendung endete mit einem Rauschen, das sanfter war als sonst. Als Harald die Mikrofone ausschaltete, war das Christkind bereits zur Tür gegangen.

„Wir sehen uns wieder“, sagte es. „Nicht unbedingt im Studio. Aber irgendwo zwischen den Zeilen.“

Dann war es verschwunden, als hätte es nie existiert.

Harald saß noch lange im leeren Sender. Im Mischpult blinkte eine einzelne grüne Lampe, geduldig, wie ein Herzschlag im Dunkeln.

Und er wusste: Morgen würde Freistadt eine Geschichte mehr haben. Und er auch.


Harald Brachner interviewt das Christkind für das Freie Radio Freistadt


Text und Bild erstellt mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (ChatGPT).