Kategorie: Gedichtzyklen
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Sprachliches Unkraut
Das unvollendete Präteritum hofft auf Perfektion. Im hölzernen Satzbau vermodern die Modi. Das optimistische Futur füttert die Gegenwart. Maskulina und Feminina geben sich dem Genuss hin. Künstliche Komposita haben es gestrichen voll und zerfallen zerschmettert auf dem Komposthaufen der Lettern. Selbstgefällige Adjektiva widersetzen sich der Mülltrennung. Ein unerhörtes Appellativum verirrt sich zwischen Parenthesen und zerschellt…
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Unkrauts Kriegsführung
Bei der Schneeschmelze nutzt das Unkraut das braungefrorene Gras als Tarnanzug. Schickt als Vorhut seine grünen Spitzen in den Märzenhimmel. Wenn die Aprilsonne die Wurzeln wärmt, bläst es zum Angriff. Aus dem Hinterhalt des Sommerschattens überfällt es die erhoffte Ernte. Im Herbst bleibt Arcimboldo ohne Gesicht. Verfasst für den Alois Vogel – Literaturpreis 2018
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Das Unkraut ist eine Frau
Das Unkraut ist jene Frau, an der man einst achtlos vorüberging, als sie uns schöne Augen machte. Doch sie lief uns nach. Ungeniert sinkt sie uns unvermittelt an die Brust. Verfasst für den Alois Vogel – Literaturpreis 2018
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Die Legende von Mensch und Bär
Wovon ich heute hier berichte, ist lang und noch viel länger her; bemerkenswert ist die Geschichte von Höhlen und von Mensch und Bär. Es war wohl evolutionärer Plan, als Bären sich von Beeren nährten, das heißt, sie lebten streng vegan, wobei selbst Pilze sie verzehrten. Auch Honig von den wilden Bienen entdeckten sie als Leckerbissen.…
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Herr Kübel und Herr Drehstuhl
Herr Kübel seufzt grad aus dem Vollen, denkt an Frau Sofa, Liebe, Glück, da hört er neben sich ein Rollen: Herr Drehstuhl rückt in seinen Blick. „Der ist ja ziemlich ramponiert“, denkt Kübel, doch er sagt es nicht. Herr Drehstuhl aber kokettiert, setzt auf ein schwärmerisch Gesicht: „Na Schatz, wie wär es mit uns beiden?“…
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Glück: Wienerisch
Die Glücksforschung sagt, wer permanent klagt, jede Freude verjagt und mit Sorgen sich plagt, wird kaum alt und betagt. Wer nie etwas Neues wagt wird vom Versäumten geplagt, bleibt am Ende ganz nackt. Aus den Lenden dann ragt Pechklee, von Zweifeln zernagt. Jammerern sei’s also gesagt: wer täglich die Glücksfee befragt und zitternd sein Glückskeks…
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Eiben und Birken
Als Schreiber fällt es mir beileibe schwer, wenn ich das hier schreibe, und wahrlich nicht zum Zeitvertreibe, ich unbeirrbar dabei bleibe: Einst war die Erde eine Scheibe. Die Kelten tanzten um die Eibe und wärmten auf die kalten Leibe. Dann gingen sie zu ihrem Weibe, auf dass es weiter kräftig reibe und sie damit zur…