Dramolett für zwei Personen

Szene: Wohnzimmer, Er sitzt auf der Couch und liest Zeitung. Eine Tür zu einem Nebenraum (Küche) ist einen kleinen Spalt geöffnet. Man hört aus der Küche Geschirrgeklapper, offenhörlich durch Sie.

Sie (aus der Küche rufend): Schatz, bringst du mir bitte den Feuerlöscher?
Er: (zeitunglesend, reagiert nicht)
(Nach einer Weile)
Sie: (drängend) Schatz, bringst du mir bitte den Feuerlöscher?
Er: Kannst du ihn dir nicht selber holen?
Sie: (lauter) Nein.
Er: Ich lese noch den Artikel fertig!
Sie: (noch lauter) Aber beeil dich!
Er: (liest)
Sie: (noch lauter) Bring mir bitte den Feuerlöscher!
Er: (beinahe ungehalten) Ich bin gleich fertig! (liest und legt dann die Zeitung aus der Hand) Wo ist denn der Feuerlöscher?
Sie: Weiß ich nicht! Du hast ihn doch verstaut!
Er Kann mich nicht mehr erinnern!
Sie: Schatz, schau bitte einmal in das Vorzimmer unter der Anrichte …
Er: (steht langsam auf) Ich geh ja schon …
Sie: (noch lauter rufend) Bring mir doch endlich den Feuerlöscher!
Er: (geht nach rechts ab)
Sie: (flehentlich) Wo bleibst du denn?
Er: (zurükkommend) Im Vorzimmer ist er nicht!
Sie: (noch flehentlicher) Dann schau noch einmal nach!
Er: Wo soll ich denn nachschauen?
Sie: Im Abstellraum vielleicht …
Er: (geht wieder ab)
Sie: (verzweifelt) Bring mit endlich den Feuerlöscher!
Er: (kommt nach einer Weile zurück) Nein, da ist er auch nicht!
Sie: (noch flehentlicher) Hast du denn auch ordentlich gesucht?
Er: (kopfschüttelnd) Er ist nicht da! Er ist einfach nicht da!
Sie: (schhmerzhaft schreiend) Schau in der Garage nach … Bitte …
Er: (geht ab)
(Durch den Türspalt zur Küche dringen einige Rauchschwaden herein)
Sie: (schmerzhafter als zuvor) Wo bleibst du denn? So bring mir doch endlich den Feuerlöscher!
Er: (zurückkomend) Man sollte die Garage wieder einmal aufräumen!
Sie: (schreiend) Hast du den Feuerlöscher gefunden?
Er: Leider nein! Wozu brauchst du denn überhaupt den Feuerlöscher?
Sie: (schreiend) Der Mistkübel hat zu brennen begonnen!
Er: Warum schüttest du nicht einfach Wasser in den Kübel?
Sie: Weil ich nicht mehr in die Nähe komme …
Er: Soll ich die Feuerwehr rufen?
Sie: (schrill) Ja, ruf die Feuerwehr!
Er: Wo ist denn das Telefon?
Sie: Wo es immer ist! Im Vorzimmer … auf der Anrichte.
Er: (geht ab)
(Die hereindringenden Rauchschwaden werden immer dichter)
Sie: So ruf doch endlich die Feuerweht, jetzt hat auch der Küchenschrank zu brennen begonnen.
Er: (zurückkommend) Nein, auf der Anrichte liegt es nicht.
Sie: (fast schon mit ersterbender Stimme) Hast du auch in meine Handtasche geschaut?
Er: Nein, aber ich werde nachschauen (geht ab).
(Nun sieht man den ersten Flammenschein durch den Türspalt, der Rauch ist inzwischen schwarz geworden)
Sie: (keuchend, abgehackt) Beeil dich! … Jetzt brennt … auch der … Fußboden …
Er: (zurückkommend) Ich hab das Telefon gefunden und hab gleich die Feuerwehr angerufen. Sie müssen gleich da sein!
Sie: (röchelnd) Schatz … Schatz
Er: Es kann nicht mehr lange dauern (setzt sich wieder zu seiner Zeitung).
(Die Flammen schlagen aus der Küche ins Zimmer. Man hört das Folgetonhorn der Feuerwehr von draußen Es klingelt.)
Er: Ich werde ihnen aufmachen … (geht ab)
(Die Tür zur Küche wird aufgestoßen und eine brennende Gestalt torkelt ins Wohnzimmer)
Er: (zurückkommend, von einem Feuerwehrmann mit Schlauch begleitet) Ich hab dir doch immer gesagt, du sollst die Zigaretten nicht in den Mistkübel werfen.

 Fluchtweg mit Feueralarm

[Werner Stangl: Feueralarm mit Fluchtweg; Pastellkreide auf Papier, 2012]


Entstanden für den Workshop Dramatisches Schreiben am 18. November 2023 in Linz, geleitet von Franz Huber, ehemaligem Chefdramaturgen des Linzer Landestheaters.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Joseph Haydn

    Das brennende Haus“ ist auch der Titel einer Oper von Joseph Haydn, di3 1963 in Bregenz am Theater am Kornmarkt aufgeführt worden ist. Entstanden wohl unter dem Eindruck des Brandes vom 2. August 1768, bei dem die ganze Stadt in Flammen steht. Haydn und seine Frau Maria Anna sind Zeugen der Vernichtung. Tatenlos stehen sie dabei und müssen miterleben, wie ihr schönes Haus zerstört wird – mit ihm ungezählte Notenblätter und Partituren.

  2. Gwendoline Butler

    Das brennende Haus“ ist auch der Titel eines Kriminalromans der Autorin Gwendoline Butler, in dem sich zwei Schwestern in den höchsten Kreisen der Gesellschaft bewegen, doch das mit Tränen und Angst bezahlen.

  3. Katharina Lanfranconi

    Das brennende Haus“ ist auch der Titel einer Gedichtsammlung von Katharina Lanfranconi, wobei diese nach Aussage von Timo Brandt mit kleinen poetischen Funken in Gang gesetzte Miniaturen darstellen, „die sich oft ins Aphoristische neigen und trotz ihrer schmalen Windungen und ihrer eher simplen Didaktik immer wieder Einfallsreichtum beweisen“.

  4. Kyra Wilder

    Das brennende Haus“ ist auch der Titel eines Romans der Autorin Kyra Wilder, in dem die Ängste vor Isolation und Überforderung mit der Komplexität der weiblichen Identität und des Mutterseins zu einem klaustrophobischen Leseerlebnis werden.

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