Die Stimme des Angenommen-Seins

Als wir heute am Telefon darüber sprachen, wie wir uns in nächster Zeit mit Anstand trennen könnten und du über mein Angebot sprachst, eine Woche in unserem Gästezimmer bei mir zu wohnen, da bekam und hatte deine Stimme einen Tonfall, den ich schon lange nicht mehr bei dir gehört habe. Während des Gespräches habe ich deiner Stimme nur nachgefühlt und empfand eine innere Ruhe in mir, die auch danach noch lange anhielt.
Ich habe danach immer wieder darüber nachgedacht und immer wieder in der Erinnerung in deine Stimme hineingelauscht, bis ich plötzlich begriffen habe, was der Unterschied zur Stimme deiner letzten Jahre war: ich fühlte mich von dieser deiner Stimme angenommen, als Mensch verstanden, eingehüllt in menschliche Wärme.
Wenn du aber in den letzten Jahren mit mir sprachst, lag in deiner Stimme ein Ton der Gleichgültigkeit, manchmal des Spottes, manchmal – selten zwar – auch der Feindseligkeit.
Ich habe auch in den Tonfall meiner eigenen Stimme der letzten Jahre hineingehört und fand darin die Härte der Enttäuschung, den Wunsch nach Kampf, den Geist des Widerspruchs, das Aufsteigen der Angst vor Verlust.
Unsere Stimmen waren so der Spiegel unserer Gedanken und unserer Gefühle.
Könnten unsere Gedanken und Gefühle nicht auch ein Spiegel unserer Stimmen sein? Könnten wir nicht in gegenseitigem Respekt diesen Tonfall erlernen und üben, bis unsere Gedanken und Gefühle nur eines wollen: den anderen annehmen, so wie er ist? Die Worte des anderen auf einem warmen Polster der Einfühlung landen lassen und nicht an einer glatten Mauer der Kälte abprallen lassen?


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