Morden zwischen Tür und Angel

Zugegeben, zwischen Tür und Angel wird man selten einen Mord planen.

Aber man kann einen begehen. Laut Duden ist hier der Ort für eilige, nur flüchtig zusammentreffende Begebenheiten. Angel bezeichnet dabei ursprünglich einen Halte- oder Ruhepunkt, speziell für ein im Griff feststehendes Messer, bei dem die für einen Mord geeignete Klinge verankert ist.

Der Täter oder die Täterin steht zwischen Tür und Angel in der Regel auch unter Zeitdruck. Bei einem solchen Ereignis ist es angebracht, die Angelegenheit rasch hinter sich zu bringen. Etwa nach der ausgeführten Tat bzw. Untat von diesem Ort zu flüchten.

Und diese Location ist sprichwörtlich und im Wortsinn prädestiniert dafür, denn man hat zwei Richtungen, sich vom Tatort zu entfernen. Es sei denn, es handelt sich bei der angesprochenen Tür um eine Falltür; hier gibt es bekanntlich nur eine Richtung. Schiebetüren fallen in solchen Angelegenheiten übrigens aus, da sie keine Angel aufweisen. Problematisch wird es hingegen bei Doppeltüren, denn bei diesen gibt es verschiedene Zustände, die von einem sperrangelweiten Offen beider Türen bis hin zu einer spaltbreit geöffneten Einzeltüre reichen. Hier kommt es unter Umständen für die Täterin oder den Täter darauf an, die richtige Richtung zu wählen.
Genau betrachtet ist der Raum zwischen Tür und Angel äußerst knapp bemessen, außer sie steht eben sperrangelweit offen, idealerweise mittels der namensgebenden Sperrangel fixiert. In diesem Fall ist man als Täter oder Täterin davor gefeit, unglücklicherweise selbst durch einen Windstoß vom Flügel der Tür – im kompensatorischen Fall letal – getroffen zu werden.

In solch einer prekären Angelegenheit ist es für Täter und Täterinnen, die hinsichtlich ihrer Absichten zeitgemäß und zeitgeistig sein wollen – obligatorisch, eine künstliche Intelligenz zu befragen, ob es möglich und angeraten sei, zwischen Tür und Angel einen Mord zu planen und schließlich zu begehen. Diese bejaht die entsprechende Anfrage, fügt allerdings hinzu, dass es sich dabei um eine besonders heimtückische Art des Mordes handele, da das Opfer in der Regel überrascht werde und keine Chance habe, sich zu verteidigen. Das läge daran, dass sich der Mörder hinter der Tür verstecken und warten könne, bis das Opfer die Tür öffnet. Sobald das Opfer die Tür einen Spalt weit geöffnet hat, könne der Mörder zuschlagen und das Opfer töten, wobei es verschiedene Möglichkeiten gäbe, wie ein Mord zwischen Tür und Angel begangen werden kann. Der Mörder könne zum Beispiel ein Messer, eine Schusswaffe oder einen anderen Gegenstand verwenden, um das Opfer zu töten. Moralischer Weise fehlt bei der Antwort nicht der Hinweis, dass ein Mord zwischen Tür und Angel im Regelfall ein sehr schweres Verbrechen darstellt, und in den meisten Ländern mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder sogar mit der Todesstrafe geahndet wird. In rechtlicher Hinsicht könne ein Mord in einer solchen Situation aber sowohl theoretisch als auch praktisch möglich sein, doch es hänge eben von den genauen Umständen ab, denn wenn jemand in einem kurzen Moment zwischen Tür und Angel absichtlich eine Handlung begeht, die zum Tod einer anderen Person führt, könne dies grundsätzlich als Mord, als Unfall oder Zufall betrachtet werden. Es würde letztlich immer von den spezifischen Gesetzen und den Beweisen im konkreten Fall abhängen, und das auch nur, wenn die oben schon angedeutete Flucht misslungen wäre.

Zur Veranschaulichung werden von der künstlichen Intelligenz einige derartige Morde, die zwischen Tür und Angel begangen wurden, aufgezählt:

  • Im Jahr 2018 wurde eine Frau in ihrem Haus in Wien Favoriten ermordet: Der Mörder hatte sich hinter der Tür versteckt und die Frau erstochen, als sie die Tür öffnete.
  • Im Jahr 2019 wurde ein Mann in seinem Büro in Berlin ermordet: Der Mörder hatte sich hinter der Tür versteckt und den Mann erschossen, als er die Tür öffnete.
  • Im Jahr 2020 wurde eine Frau in ihrer Wohnung in München ermordet: Der Mörder hatte sich hinter der Tür versteckt und die Frau mit einem Hammer erschlagen, als sie die Tür öffnete.

Beim letzten Beispiel wird deutlich, was die künstliche Intelligenz mit dem Begriff des „anderen Gegenstandes“ gemeint hat, und demonstriert damit, dass Morde zwischen Tür und Angel keine Seltenheit darstellen und es daher wichtig sei, sich vor dieser Art von Verbrechen zu schützen.
Schließlich erhält man als potentielles Opfer eines Zwischen-Tür-und-Angel-Mordes einige Tipps, wie man sich vor einem solchen Mord schützen kann:

  • Seien Sie vorsichtig, wenn Sie eine Tür öffnen, die Sie nicht kennen.
  • Schauen Sie sich vor dem Öffnen der Tür um, ob sich jemand hinter der Tür befindet.
  • Öffnen Sie die Tür nur einen Spalt weit und halten Sie den Türöffner in der Hand.
  • Wenn Sie sich unsicher fühlen, lassen Sie die Tür geschlossen und rufen Sie die Polizei.

Und weil wir schon im Web unterwegs waren: Im Lateinischen wird die Türangel als cardo bezeichnet, von dem sich die Kardinaltugend ableitet. Im Übrigen nennt der Römer den hier beschriebenen Ort inter ostium et limen und setzt daher an die Stelle der Angel die Schwelle. Wenn es sich um eine größere Tür handelt, würde er wohl porta wählen.

Ergo: Cave ostium! Cave portam!

Zwischen Tür und Angel

Veröffentlich 2024 in „Literarisches Österreich. Zeitschrift des Österreichischer SchriftstellerIinnenverbands“,S.56-58.


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