Ich bin nicht still, weil ich nichts zu sagen habe.
Ich bin still, weil ich zu viel höre.

Nicht nur Worte.
Auch das, was sie verschweigen.
Das Zögern vor dem „Alles okay“.
Den Bruch im „Mir geht’s gut“.
Die Pausen, die lauter sind als Sätze.

Ich werde dann selbst zu einem Raum,
in dem alles nachklingt.
Ein Satz –
und ich denke drei Tage nach,
während andere schon fünf Gespräche weiter sind.

Manche nennen das sensibel.
Oder zu viel.
Ich nenne es Resonanz.
Ich reagiere.
Nicht laut, nicht sofort.
Tief.

Wenn jemand lacht oder weint,
zittert etwas in mir.
Warm.
Wie ein „Ja, das spür ich auch“.
Und wenn jemand traurig ist
und trotzdem lächelt,
zieht sich etwas in mir zusammen.
Nicht dramatisch. Nur da.

Früher dachte ich,
ich müsste lauter sein.
Klarer.
Fester.
Aber vielleicht reicht es,
dass ich mitschwinge.
Dass ich merke,
wenn etwas echt ist.

Ich bin kein Echo.
Ich bin kein Verstärker.
Ich bin Resonanzkörper.

Ich nehme Klang auf
und mache ihn zu etwas Eigenem.
Etwas, das bleibt.


Dieses Gedicht ist veröffentlicht in der Zeitschrift „Brache – Heft 10 für Poesie“ (ISSN: 2791-4208).