Kategorie: Dichtung
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Halb.Töne
Unter den Flügeln des Gesanges lauert am Ganges ein langes Ges. Zwischen den Noten des Liedes verkümmert indes ein müdes Des. Und während des Schlafes im Blöken des Schafes ein scharfes Fes. Beim Wedeln des Schwanzes inmitten des Tanzes ein ganzes Ces. Angesichts des hirschlichen Geweihes entflieht der Brust des Rehes ein rauhes Hes.
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Zwischen den Bildern
Galeriebesucher gehen von Bild zu Bild, von Objekt zu Objekt. Wenn sie davon berichten, dann erzählen sie, wie viele Bilder oder Objekte sie gesehen haben, welche sie beeindruckt und welche ihnen weniger gefallen haben. Welche sie angezogen haben, über welche sie eher gestolpert sind, welche sie gar zurückstießen. Doch was geschieht zwischen den Bildern, zwischen…
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Déjà-vu
In sparsamen Augenblicken Gelingt es mir, Entfernte Gedanken Zurückzuholen. Gedanken, mit denen ich spielte Die ihre Spiele mit mir trieben, Ihr Jetzt, unerbittlich, In den Zeitstrahl brannten. Manchmal nehme ich mir vor, Für einen fernen Punkt Der Reise durch die Zeit, Dieses zerfallende Jetzt Erinnern … zu wollen. Was werde ich denken … Fühlen… besitzen…
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Unsere Stille
Mit dir gemeinsam zu schweigen gleicht dem Lächeln eines schlafenden Kindes, dem Wunder seiner fraglosen Träume, dem sanften Atmen seines Ruhens. Mit dir gemeinsam zu schweigen ist wie ein geschenkter Abschied vom schrillenden Klang des Tages, vom verschlingenden Gewirr der Menge. Hinaus auf eine sich öffnende Wiese mit duftend blühenden Bäumen unter einem überblauen Himmel.…
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Meine Schatztruhe
Erinnerungen sind trügerisch, aber in diesem Fall bin ich mir sicher: Ich muss so viereinhalb oder fünf Jahre gewesen sein, als ich lernte, das Wort Gold mit etwas Konkretem zu verbinden. Zwar kannte ich das Wort aus den Märchen, die mir meine Mutter vorlas, denn da war von Gold die Rede, das man aus Stroh…
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Ineinanderfließen
Du standest nach langer Wanderung Am Ufer deines Flusses, Wie ich am Ufer meines Flusses stand. Müde geworden und schweigsam Tauchten wir beide in die Fluten, Suchten die Tiefe und fanden keinen Grund. Wie ließen uns treiben, nur der Schatten war ein Begleiter So wie die Sehnsucht. Das Schicksal ließ beide Flüsse Ineinanderfließen Wie unsere…
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Nach dem Bade
Wenn deine Finger Langsam den Knoten lösen, Der dein Haar gefangen hielt … Wenn deine Hand fast zärtlich Die goldnen Strähnen glättend Auf die Schulter fallen lässt … Wenn still auf deiner Brust Die Wasserperlen glitzernd Ihre Spuren zeichnen … Wenn sich dein Körper neigt, Zu mir in seiner Sprache spricht, Sich fordernd zu mir…