Kategorie: Gedichtzyklen
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Derridas Katze
Die Milch in der Küche war sauer geworden über Nacht. Der fahle Tag strich mit seinem Licht durch die noch nachtblinden Scheiben über mein Fell. In die erwachende Stille hinein tappende Geräusche vom Schlafzimmer her. Das Knarren der Tür zum Bad, alltägliches Ritual. Nicht die Zeit wert, hinterherzuschlendern. Der sauren Milch wegen durch den arglosen…
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Abend
Der Abend sattelt die leergelebten Stunden und trabt den rötlichen Hügeln entgegen. Die Schwalben zerschrillen im Flug die verbliebenen Schatten. Der Halbmond deiner Lider vibriert in der Erwartung einer versprochenen Nacht, die spinnengleich prüfend ihre Hände über die Dächer der Häuser legt, die in die Buchten der Hügel sich kauern. Gleich Spinnwebenflor spinnt sich die…
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Bruckner.Park.Idyll
Auf einem rostfarbenen Lastkahn strecken zerschweißte Träger der Eisenbahnbrücke ihre Wunden in den blassblauen Sommersamstagshimmel. Aus dem eventtruckzerpflügten Gras starren das dunkelheitsverbrannte Bühnenrechteck und die aneinandergereihten Sanitärquadrate den Flanierenden vergelbt entgegen. Von der fernverkehrenden Autobahnbrücke her drängt sich hintergrundheischend das Rollen der Reifen in das schweigende Fließen des Stromes. Der aufbrechende Sommerflieder reckt seine Blütenstände…
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Die Mauer
Du baust eine Mauer aus leergesungenen Träumen, aus gebrochenen Versprechen, aus zerlebten Tagen versäumter Hoffnungen, aus verstreuten Fragmenten, die du für das Leben hieltest. Die bedrohten Zwischenräume füllst du mit verbrauchten Lügen, dir fremd gewordnen Illusionen, zu oft geweinten Tränen, unausgesprochnem Zorn und vergessen gehoffter Wut. Diese Mauer schützt dich nicht vor dem Stachel der…
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Frosch.Grün
Ich bin ganz grün und bin so frosch. Mein Kühlschrank ist ein großer Bosch®, in den hab‘ ich den Storch gesperrt, damit er mich nicht gleich verzehrt. So kann in Ruhe ich jetzt laichen und lass danach ein Jahr verstreichen. Dann ist mir’s Leben einerlei und geb’ den Storch schon wieder frei. [Verzeichnis der…
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Wir putzten uns sieben Minuten lang ab *
Ich ging an einem schönen Frühlingstag mit Adele, meiner neuen Freundin, in Schönbrunn spazieren. „Wir waren schon so lange nicht mehr im Tiergarten“, schlug sie eine Abwechslung vor. Gesagt! Karten gekauft! Es dauerte recht lange, bis mich Adele vom Bärengehege weglotste, denn das war für mich als Arktophilem ein Pflichtbesuch. Elefanten, Nilpferde, das kreischende Affenhaus.…
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Herrn Kübels Apokalypse
Das Jüngste Gericht ist gerade vorbei und hat die Welt befreit von allem Übel, da sieht man unter all der Jubelei auf einer Wolke sitzen den Herrn Kübel. Blitzblank geputzt nippt er am Nektarglas, doch wahrlich: glücklich wirkt er nicht. Er knabbert Manna, ist ganz blass und zeigt sein traurigstes Gesicht. Sah er doch auf…