1

Zwischenräume werden wesentlich,
erhalten Atem eingehämmert.
Ich starre auf den Spalt –
warte auf etwas,
etwas, das kommen muß.
Es kündet das Knacken der Wände an,
vor dem Zusammenbruch noch ein Verweilen.
Ich starre auf den Spalt.
Warte. Auf das Unausweichliche,
das Unerwartete.

2

Das Stöhnen in den Mauern
pflanzt sich in den Körpern fort,
läßt die Haut aufbrechen wie Schalen reifer Früchte –
Gewürm kriecht zwischen den brandigen Rändern hervor.
Du Hure, du unsterbliche Hure,
schreie nur deine Wollust in meine Flucht.
Schreie deine richtungslosen Kosenamen –
die lügnerischen Augen spiegeln Haß.
Automatismen geworden, Reflexe.
Es ist alles unausweichlich,
das Werden, das Gewordene.

3

Es ist alles unausweichlich.
Das Werden.
Das Gewordene.
Die feingesponnen Netze des Atems
werfen sich wie Tiere über die nackten Leiber.
Schutzlos im Aufbäumen gegen die Zeit.
Das Zeitgesetz zerreißt die Berauschung im Zerfall.
Ausgetauscht gegen einen Becher Myrrhe
das faulige Wasser deines Schoßes,
das sie alle getrunken haben.
Alle.
Mit ihren gierigen Zügen wollten sie ihren geilen Geschmack ertränken –
wurden doch von fremden Händen aus ihrem Paradies verdrängt.
Reihum. Alle.
Wie sie da kamen.
Hast du ihre Nägel zwischen den Backen gefühlt.
Waren sie manükiert und müde,
oder klebte an ihnen noch die Fäulnis,
die dunkle Fäulnis des letzten Triumphes.

4

Das Licht floß wie gelbes Blut
von ihren Stirnen.
Zwischen dem aufgerichteten Speer
und den Stirnen fanden sich viele Wege.
Du bist sie alle gegangen.
Ohne Unterschied.
Unterscheidung gewinnt auch das Seltene.
Der Freiheit auf die Barrikaden zu helfen.
Immer nur hinaufzuschauen.
Hinauf. Nicht hinunter.
Denn Ekel hätte dich packen können.
Ekel vor dem Elend
zwischen den Halden aus gelebten Tagen.

5

Am Rand zu bleiben. Prüfend,
nur einen halben Schritt,
ein Flüstern weit sich vorzuwagen.
Es fehlt nicht an den Gewinnern.
Oben zu sein. Oben. Alle.
Das Schlagen den Glocken zwischen den Schenkeln –
der Anschlag an die prallen aufgeblasenen Schenkel.
Daß sie dir von hinten kämen. Im Schmerz öffnen
sich vielleicht neue Tiefen. Denn die alten Bahnen haben
sich schon zu tief eingegraben.

6

Nackt dazustehen.
Nackt.
Und in der Nacktheit
verhüllen die schweren Gewänder der Tages
die Spuren in deinen Gesicht.
Die Begriffsbestimmung macht den fremden Standpunkt
zu einer unverletzlichen, uneinnehmbaren Bastion.
Jede Pore ein Schrei – ein Sieg.
Die Bajonette stecken noch in den alten Narben,
aus denen das Weiße absticht, das sie Blut nennen
durften. Damals als sie noch denken konnten.
Unauslöschliche Spuren. Die Scham kann sie nicht tilgen.
Wie du lügen kannst, wenn du zu verlieren glaubst.
Auch die Wahrheit ist eine Lüge.
Nicht geringer, nur einzigartiger.
Lügen haben Alternativen.
Die Wahrheit ist ihr einziger Gegenpol.
Mathematisch bestimmbar. Die Koordinaten tragen das
Wissen in den Raum.
Sprich sie nur aus: diese deine Wahrheit.
Kralle sie in meinen Rücken,
wie du meinen Schaft umkrallst.
Daß unter deinen Fingern das Blut in die Male schießt,
die du mit deinem Geifer gebrannt hast.

7

Deine Händen glühen von der Fackel.
Von den Knöcheln
tropft bitteres Pech,
wenn du die Hände zur Faust ballst. Bis zur Weiße.
Die Umrisse zeichnen sich an den Horizont.

8

Die Umrisse zeichnen sich an deinen Horizont.
Das Kreischen der Räder
fährt in den unruhigen Schlaf.
Nicht das Licht weckt dich,
es ist das Dunkel des Augenblicks.
Die Masse des Dunklen,
die unter den Lidern hervordrängt.
Der Zerfall zieht dich wie ein Magnet an,
seine Splitter graben sich in die Weiße deiner Haut.
Weiße Spuren zeichnen sich wie eine andere Dimension.
Die Schatten der Worte spielen mit –
sie spielen mit deinen Brüsten.
Die zerschlagen sind, zerfressen von den Ratten,
die überall sind. Wie die Partikel des Untergangs
in einem hellen Strahl.
Von Schatten zu Schatten tanzen.
Sind. Nicht sind.

9

Überall lauert keuchend ein Anfang.
Dieses Buhlen um die Gunst.
Dieses Werben.
Die Lächerlichkeit schreit dir in jedem Wort entgegen.
Die schmalen Bilder lösen sich in Pinselstriche.
Wie Schlangen gleiten sie von den Wänden.
Bunt schillernde Leiber.
Kriechend. Auf eine Schleimspur gleiten sie
wie auf gläsernen Gleisen durch das Zimmer,
immer neue Quellen zerteilend
aus den Umfassungen.
Sie winden sich an dir hoch. Umfassen die Abwehr,
umspielen sie in fast anmutiger Bewegung.
Wie nahe sie sind. Wie nahe.
Nicht mehr vom Selbst zu unterscheiden.
Unaufhaltsam legen sie ihre Regungen
um den zuckenden Widerstreit.
Sind.

10

An der Grenze von Kälte und Leere
schlafen die Konturen.
Du reißt sie aus ihrem Dämmern
in deine Gedanken.
In ihnen formen sie sich zu Peitschen,
Die du auf deinem eigenen Leib,
deinem eigenen Leib in seiner Fremdheit
zerschlagen mußt.
Was soll deine Abwehr gegen dein Selbst.
Du schreist Gott an.
Wirfst dich in Gebete,,
Nicht mehr Worte sind es –
Phasen, Abläufe, Gewolltes.
Resignation ist eine Form des zu leben.
Ein Fall ist Aufstieg.
Erhofft. Erlahmt.
Geschmeidig wie der Gürtel deines Kleides
windest du dich an den Verstrebungen.
Halt und Flucht.
Ahnungen …
doch Wissen baut nur Wolkentürme.

11

Vorgewölbt über das Leben
pendeln deine Brüste,
geiferlos, leergeknetet von tausend Händen.
Von tausend Wünschen.
Leergeschlagen.
Sie lehnen sich über die Zeit und fordern neue Gewalt.
Die ihnen getan werde.

12

Die Leere der Zeit prostituiert sich mit dem Spektakel,
das zwischen den Bewegungen ein Ausruhen verliert.

13

Du bist Kosmos für alle.
All und Enge.
An den Ufern deines Gestammels
scharen sie sich.
Kann ich mit einer Geste
sie wie einen Schwarm von Raben vom Lager verscheuchen.
Sie haben ihre Gerüche
in deinen Haaren zurückgelassen.
Sie stieben auf und lassen sich nieder.
Stetig brüten sie unter den schweren, weiten Schwingen
neue Angst. Die gezeugten Früchte überschwemmen
mich in meiner Hinwendung.
Fordern Aufgabe.
Ist sie die einzige Form zu leben.
Ist das Gesetz.
Nicht zu erfragen sind sie –
zu vergeben. Erflehe diese Vergebung. Daß es Vergeblichkeit
werde. Vergangen an dem neuen Triumph. Besiegt. Huren
werden andere Träume haben. Fernere Erinnerungen.
Im Fehlen hast du deinen Traum gefunden –
im Verlieren deinen Aufstieg.

14

Wie kann das Breitwerden, das Fließen
sich auflösen. An den Pflöcken des Augenblicks
sammeln sie sich. Gegen mich. Richte ihre Schreie
gegen dich.
Säuberlich registriert auf einem flammenden Blatt
meines alten Hasses.
Begreife, daß der Druck auf deinen Körper anders ist.
Anders sein muß, um unterscheidbar zu sein.
Richtungslos sind die Wege,
Die sich dem Schmerz öffnen.
Vorspiel reiht sich an Vorspiel.
Grimassen nageln ihre Gesten an deine Wangen.
Umsonst. Wesensentsagtes Gelächter.
Haß nur.
Haß und Leben.

W. S. scripsip 1966