Das weiße Zimmer

Das Offensichtliche ist schwierig
Aufzuzeigen. Viele bevorzugen
Das Versteckte. Das tat ich auch.
Ich lauschte den Bäumen.

Sie haben ein Geheimnis.
Gerade waren sie dabei
Es mir zu enthüllen …
Doch taten sie es nicht.

Der Sommer kam. Ein jeder Baum
In meiner Straße hatte seine eigene
Scheherazade. Meine Nächte
Nahmen teil an ihren wilden

Geschichten. Wir drangen ein
In dunkle Häuser,
Mehr und mehr dunkle Häuser,
Verstummt und verlassen.

Da war etwas geschloss’nen Auges
In den Fluren oben.
Die Furcht davor, und auch das Staunen,
Hielten mich schlaflos.

Die Wahrheit ist nackt und kalt,
Sagte die Frau
Die immer Weiß trug.
Sie hat ihr Zimmer nie verlassen.

Die Sonne fiel auf ein, zwei
Dinge, die unberührt geblieben
Von der langen Nacht.
Diese einfachen Dinge,

So einfach und offensichtlich.
Kein Aufhebens.
Es war ein solcher Tag.
Den manche als „perfekt“ beschreiben.

Verbergen sich Götter
Als schwarze Spange, als kleiner Spiegel,
als Kamm mit einem ausgebroch’nen Zahn?
Nein! Das kann es nicht gewesen sein.

Bloß Dinge, so wie sie sind,
Nicht glanzvoll, sondern schweigend
Im Licht des Tages …
Die Bäume warten auf die Nacht.


Nachdichtung von Charles Simic‘ „The White Room“ aus „The Book of Gods and Devils“, 1990.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: