Das Leben neu interpretieren müssen

Es sind keine Fragen nach einem banalen „Warum“, sondern Fragen nach einem zerstörenden und schier unerträglichen „Wie“.

Diese Fragen stelle ich nicht einem anderen, sondern die stelle ich meiner Erinnerung, meinen Verletzungen, meinen Träumen, meinen Hoffnungen, meiner Naivität, meinem Glauben.

Wie fühlt es sich an, von einer Hand berührt zu werden, die zuvor einen anderen berührte?
Wie fühlt es sich an, eine Stimme zu hören, die zuvor einen anderen rief?
Wie fühlt es sich an, einen Mund zu küssen, der zuvor einen anderen berührte?
Wie fühlt es sich an, eine Umarmung zu spüren, die zuvor einem anderen galt?
Wie fühlt es sich an, den Geruch des anderen in den Haaren nicht gespürt zu haben?
Wie fühlt es sich an, nicht um seiner selbst Willen sondern wegen eines anderen zurückgewiesen zu werden?
Wie fühlt es sich an, wenn Alltägliches zur auftürmenden Lüge geworden war?
Wie fühlt es sich an, nur aus geschäftsnotwendiger Pflicht wahrgenommen zu werden?
Wie fühlt es sich an, in einer Begrüßung den Abschied vom anderen zu erleben?
Wie fühlt es sich an, in einem Ganzen doch immer nur einen Teil erhalten zu haben?
Wie fühlt es sich an, in einem seltsamen Schweigen nicht den Verrat gespürt zu haben?
Wie fühlt es sich an, jemanden aus Liebe zu verletzen, der diese Verletzung nicht empfinden konnte?

Die Fragen sind ohne Antwort. Es sind paradoxe Mauern, gegen die ich immer wieder anrenne, obwohl ich gleichzeitig auch auf der anderen Seiten bin. Ich blicke ohne festen Standpunkt aus einer vage erhofften Zukunft in meine Gegenwart, die eine neue Vergangenheit finden muss.

Am Ende bleiben nicht Hass, Wut oder Trauer, sondern nur eine Leere, unbegreifbar und unerträglich in ihrer Stille.


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Kommentare

2 Antworten zu „Das Leben neu interpretieren müssen“

  1. Avatar von Sabine
    Sabine

    Mit der Zeit

    Mit der Zeit lernst du,
    daß eine Hand halten nicht dasselbe ist,
    wie eine Seele fesseln.
    Und daß Liebe nicht Anlehnen bedeutet,
    und Begleiten nicht Sicherheit.

    Du lernst allmählich,
    daß Küsse keine Verträge sind,
    und Geschenke keine Versprechen.

    Und du beginnst,
    deine Niederlagen erhobenen Hauptes
    und offenen Auges hinzunehmen,
    mit der Würde des Erwachsenen,
    nicht maulend wie ein Kind.

    Und du lernst,
    all deine Straßen auf dem Heute zu bauen,
    weil das Morgen ein zu unsicherer Boden ist.

    Mit der Zeit erkennst du,
    daß sogar Sonnenschein brennt,
    wenn du zuviel davon abbekommst.

    Also bestelle deinen Garten
    und schmücke selbst dir die Seele mit Blumen,
    statt darauf zu warten,
    daß andere die Kränze flechten.

    Und bedenke,
    daß du wirklich standhalten kannst,
    und wirklich stark bist.

    Und daß du deinen eigenen Wert hast.

    Kelly Priest

  2. Avatar von Claudia

    Wie fühlt es sich an, nur noch beiläufig und routiniert berührt zu werden?

    Wie fühlt es sich an, eine Stimme zu hören, die nicht mehr wirklich zu dir spricht, weil sie immer schon zu wissen meint, was du denkst?

    Wie fühlt es sich an, einen Mund zu küssen, und dabei kein Begehren mehr zu spüren, dass über „Business as usual“ hinaus geht?

    Wie fühlt es sich an, eine Umarmung zu spüren, die nur noch geschwisterlich vollzogen wird, ohne den Schimmer erotischer Brisanz?

    Wie fühlt es sich an, wenn dabei nicht einmal der Geruch des Anderen in den Haaren wahrgenommen wird?

    Wie fühlt es sich an, wenn erst „der Andere“ zum Aufwecker wird, wenn erst die Verlustangst dazu führt, wieder mal richtig bemerkt zu werden?

    (= nur freie Resonanz aus eigenem Erleben!)

    Liebe Grüße

    Claudia

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