Ich habe ganz schlecht geschlafen. Wie so oft. Es ist in der letzten Nacht besonders heiß gewesen, denn die Klimaanlage war wieder einmal ausgefallen. Ich bin mir sicher, dass einer von da oben auf der Hochspannungsleitung getanzt hat, nur um mich zu ärgern. Oder ein naiver Cherubim aus Gedankenlosigkeit im Sicherungskasten herumgespielt hat. Einerlei. Dabei haben die doch die selben Aufgabenfelder wie wir da herunten, bloß in den oberen Etagen. Glauben die, dass sie deshalb, weil sie in einem Loft wohnen, etwas Besseres sind? Im Lift sind ohnehin alle gleich, sollte man meinen.

Mein morgendlicher Kater verfliegt aber meist rasch, wenn ich nach meinem brennheißen Morgenbad wieder in die Küche gehen kann, um meiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Hoffentlich ist das Feuer über Nacht nicht ausgegangen. Der Nachtdienst ist da seit einiger Zeit nachlässig, vor allem auch deshalb, weil ich dafür so viele Aushilfskräfte vom AMS einstellen muss, die die Betriebsanleitung kaum lesen können. Die meisten pfeifen ohnehin auf die Nachtzuschläge, die zugegebenermaßen nicht wirklich üppig sind. Ich hasse es, wenn ich am Morgen auf dem Herd wieder lauter laue Sündertöpfe vorfinde, deren Inhalt sich inzwischen Hoffnungen gemacht hat, dass es mit der großen Hitze endlich vorbei sei. Doch wie heißt es so schön: „Wer in meinem Kochtopf landet, lasse alle Hoffnung fahren“.

Apropos Hoffnung: Die Hoffnung, die wir an die ökumenischen Bemühungen im Vatikan geknüpft hatten, haben sich unter Wojtyla und vor allem Ratzinger zerschlagen. Dabei wäre es doch sinnvoll, wenn uns zum Beispiel Michael mit seinem Feuerwerfer bei Not am Mann aushelfen könnte. Heute sind wieder die Traditionalisten am Ruder und keine Kooperation in Sicht.

Ich erwarte heute ein großes Kontingent an Soldaten, die vom Türwächter des Chefs am Betreten der oberen Stockwerke gehindert worden sind, weil sie ein paar Zivilisten erwischt hatten. Die bekommen eine Extrabehandlung, denn die werden erst ganz langsam in ranzigem Öl angeschwitzt und dann unter Beigabe von scharfen Zwiebeln und Pfefferoni gedünstet, bis ihnen die Tränen kommen. Chili gibt es nur an Sonntagen. Leider.

Die Küchentür quietscht natürlich wieder viel zu wenig, sodass es einem beim Eintritt überhaupt nicht mehr wie vorgesehen durch Mark und Bein geht. Vom sprichwörtlichen Heulen und Zähneknirschen ist ohnehin keine Rede mehr.

Gottseidank! Die Scheite im Ofen glosen noch ein wenig. Da brauche ich nur ein paar nachzuwerfen und meine Blaskapelle bitten, in die alte Glut zu pusten, damit es wieder zu lodern beginnt. Drei Scheite genügen für’s Erste.

Auf eine Ölheizung oder Pelletheizung umzustellen käme einfach zu teuer. Und den Gasgriller, den ich mir für eine rasche Behandlung meiner Klientel gewünscht hatte, wird mir vom Aufsichtsrat nicht genehmigt. Wir müssen auf die Betriebskosten schauen, hat es bei der letzten Hauptversammlung geheißen. Die Gesamtkosten im Auge behalten. Dabei brauchen die dort oben keine teuren Betriebsmittel wie ich hier herunten. Meine Vorschlag für eine ausgleichende Wärmepumpe wurde glatt ignoriert. Das Küchengeschirr ist letztens auch teurer geworden, aber es muss ja die beste Qualität sein. Schließlich gilt es einen Ruf zu verteidigen. Da darf man sich auf keine Kompromisse einlassen.

Leider sind mir durch Corona wieder jede Menge Küchengehilfen ausgefalllen, vor allem die Quarantäne meines Sous-Chefs hat mich hart getroffen. Der hatte sich immer um die Neuankömmlinge gekümmert und sie in die richtigen Töpfe gesteckt. Er hat jetzt Long-Covid und ist noch immer im Krankenstand. Und sein Stellvertreter ist eine Niete, aber die Auswahl ist eben begrenzt, der Arbeitsmarkt ausgedünnt und der Nachwuchs studiert lieber als ein solides Handwerk zu erlernen.

Na, vielleicht doch noch ein Holzscheit mehr, schon im Hinblick auf den heutigen Zuwachs. Übrigens sind die Holzpreise auch gestiegen, obwohl wir doch angeblich durch den Klimawandel und die Borkenkäfer so viel Schadholz haben. Aber das ist eben der Markt: wird das Öl teurer, steigen auch die anderen Energiepreise.

Manchmal ist es bei dem großen Andrang nicht leicht, den Überblick zu behalten. Ich habe schon ein paarmal darum gebeten, vor der Anlieferung eine Triage zu machen, aber das wurde von der Kammer als unethisch abgelehnt. Dabei kommt es auf die paar Falschzuordnungen doch wirklich nicht an. Aber Menschen wären halt alle Individuen und als solche individuell zu behandeln. Dabei gibt es doch ohnehin ziemlich klare Kategorien, in die man die Neuankömmlinge einteilen und dementsprechend behandeln kann.

Die Zornigen kommen in einen Druckkochtopf, damit ihr innerer Druck abgebaut wird, während die Unmäßigen und der Völlerei Verfallenen im Salzwasser ausgekocht werden. Da muss einer meiner Gehilfen immer wieder mit einem Schaumlöffel das Fett abschöpfen. Das gestockte Fett verwenden wir dann nach Möglichkeit weiter, etwa zum Anschmoren der Neuankömmlinge. Auch bei uns ist Recycling und Upcycling angesagt.

Das fehlende Personal macht sich vor allem bei den Faulen und Trägen bemerkbar, denn die muss man mit einem Schneebesen oder einer Bratengabel oft vor sich her treiben, bis sie endlich in ihren Topf hüpfen. Wenn sie zu langsam sind, dann brennen sie manchmal auf der Herdplatte an und man muss sie mit einer Spachtel abschaben und ihrer Bestimmung zuführen.

Die Hochmütigen und ewigen Rechthaber wollen unser Personal immer in einen Diskurs verwickeln, aber dieses Problem hat sich mit Smartphones und Kopfhörern für das Küchenpersonal lösen lassen. Da können sie den ganzen Tag DJ Ötzi und Andreas Gabalier hören, sodass sie von ihrer Umgebung nichts mehr mitbekommen. An Feiertagen gibt es Helene Fischer und Andrea Berg. Man muss für ein gutes Betriebsklima sorgen.

Die Habgierigen bzw. Neider und Neiderinnen sind vergleichsweise leicht handhabbare Gruppen, denn die kann man in eine große Kasserolle stecken, in der sie dann selber für das Umrühren sorgen, da sie sich gegenseitig an die Gurgel oder den Beutel gehen. Da muss man nur hie und da nachschauen, ob sie nicht müde geworden sind. Da helfen ein paar Goldmünzen oder Bitcoins, um den Betrieb wieder anzukurbeln.

Mörder und Schlächter sind von allen am einfachsten zu behandeln, weil man sie nach dem homöopathischen Prinzip similia similibus curentur behandeln kann, denn wer einen anderen in die Brust geschossen hat, dem widerfährt ebenso Gleiches wie einem, der einem anderen die Gurgel durchgeschnitten hat. Die sind manchmal ganz scharf drauf, bei ihren Mitgekochten wieder etwas Neues auszuprobieren, also statt einer Schusswaffe ein Messer, eine Schere oder die bloßen Hände zu benutzen. Die besorgen es sich selber, wobei ich selber noch das eine oder andere lernen kann.

Die Wollüstigen sind eine ganz eigene Spezies, denn die muss man in kleinen Einzeltöpfen unterbringen, damit sie ihren Gelüsten nicht weiter nachgehen können und sich dann wie im siebten Himmel fühlen. Das wäre kontraindiziert.

In letzter Zeit macht die Gleichbehandungskommission ein wenig Probleme, denn die besteht immer darauf, dass die Geschlechter in gleichem Umfang berücksichtigt werden müssen. Aber was macht man, wenn man heutzutage so viele Femizide geliefert bekommt und keine gleiche Anzahl an Maskuziden? Die sollten sich ja gegenseitig austoben können. Wie sollen aber die paar Weiber dieser Übermacht an Männern die zustehenden Behandlungen zukommen lassen? Zwar kann man sich mit ein paar Avataren aushelfen, aber das ist einfach nicht dasselbe. Und das früher noch erlaubte Klonen hat nur dazu geführt, dass alle Torturen zum Einheitsbrei geworden sind, was der geforderten Individualität nicht gerecht wird. Wie wir hier überhaupt der Gerechtigkeit verpflichtet sind. Es findet jede Woche ein Meeting der Belegschaft statt, in der Erfahrungen ausgetauscht werden und das innerbetriebliche Know-how geteilt werden kann.

So, jetzt brennt das Feuer wieder richtig. Der Deckel auf den Coronaleugnern beginnt schon wieder zu scheppern. Die werde ich ein bisschen an den Rand schieben, damit sie sich nicht zu wichtig vorkommen.

Manche tun mir ja auch leid, weil sie einfach in ihren Topf hineingeschlittert sind. Aber was wiegt’s, das hat’s. Mitleid ist in unserer Küche keine Option, wenn man sich nicht ein veritables Burnout einhandeln will. Aber für ein Burnout sind wir ja wohl auch zuständig, oder?


Abgedruckt in „In Teufels Küche. Literaturwettbewerb der Stadt Feldbach 2022“, S. 115-118.
Bestellungen beim BürgerInnenservice der Stadt Feldbach oder per Email an luttenberger@feldbach.gv.at