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In der Literatur findet man drei wesentliche Erzählperspektiven, wobei die personale, auktoriale und neutrale Erzählperspektive unterschiedliche Wirkungen auf die Leserinnen und Leser haben.

Personale Erzählperspektive

In ihm war nichts als dumpfe Trauer. Nur schemenhaft nahm er die Trauergäste durch seinen Tränenschleier wahr. Wie viele waren gekommen? Zwanzig? Hundert? Es war ihm egal. Die schwarze Menge wogte an ihm vorbei, er schüttelte Hände und hoffte, dass man ihn bald alleine lassen würde.
In der personalen Erzählperspektive erfährt man etwa über das Innenleben eines Protagonisten: Er ist traurig („dumpfe Trauer“), nimmt seine Umwelt nur noch verschwommen war („schemenhaft …“), möchte alleine sein („dass man ihn bald alleine lassen würde“). Man sieht die Szene durch die Augen des Protagonisten (die Menge „wogte an ihm vorbei“); man weiß allerdings nichts über Vorgänge, die verborgen sind (oder auch: über die Zukunft), den über solche Informationen verfügt nur ein auktorialer Erzähler. Die Leserin bzw. der Leser kann sich bei diesem Erzählstil in den Protagonisten hineinversetzen, seine Gefühle und Gedanken wahrnehmen, mit ihm trauern. Durch die personale Perspektive befindet sich der Leser mitten auf dem Friedhof, schüttelt Hände, die Menge wogt an ihm vorbei. Wichtig: Die personale Erzählperspektive muss nicht die Ich-Form verwenden!

Auktoriale Erzählperspektive

Die meisten der knapp 150 Trauergäste wurden von Mitleid erfasst, als sie seine Tränen sahen. Hätten sie gewusst, was ihm noch bevorstand, wäre ihr Mitleid noch größer gewesen. Doch zum Glück wussten sie es nicht, und so kondolierten sie schweigend an ihm vorbei, und er musste widerwillig viel zu viele Hände schütteln.
Der Erzähler ist allwissend, d. h., er kennt die Zukunft (dem Protagonisten steht ein hartes Schicksal bevor), er kennt die Gefühle des Protagonisten („widerwillig“) und der Trauergäste („wurden von Mitleid erfasst“). Ebenfalls typisch: Der Erzähler kommentiert das Geschehen („zum Glück“). Die Leserin bzw. der Leser ist voll informiert und erhält (sofern es dem Erzähler beliebt) ein vollständiges Bild der Situation, der Personenkonstellation, der Handlungsstränge. Die Leserin bzw. der Leser und der Erzähler gruseln sich gemeinsam vor dem zukünftigen, schrecklichen Schicksal des Protagonisten. Der Erzähler zwingt der Leserin bzw. dem Leser seine Bewertung und Interpretation der Situation auf (das zukünftige Schicksal des Protagonisten wird so hart sein, dass es für die Trauergäste ein Glück ist, nichts darüber zu wissen).

Neutrale Erzählperspektive

Auf dem Friedhof waren etwa 150 Personen versammelt, die meisten davon schwarz gekleidet. Langsam bewegte sich die Schlange an Robert vorbei. Während die Leute ihm die Hand schüttelten, liefen ihm die Tränen über die Wangen.
In der neutralen Erzählperspektive werden Ereignisse, Situationen, Personen … sachlich und neutral geschildert (Kameraauge). Man erkennt keinen kommentierenden, lenkenden Erzähler wie in der auktorialen Erzählperspektive, man erhält auch keine detaillierten Informationen zum Innenleben einer Person wie in der personalen Erzählperspektive. Der Erzähler hält sich bei der neutralen Erzählperspektive im Hintergrund, Bewertungen oder Antizipationen muss die Leserin bzw. der Leser selbst vornehmen. Die Wirkung hängt also von Details in Beschreibungen, Personenrede o.ä. ab, denn so könnte eine genauere Beschreibung des tränenüberfluteten Gesichts würde der Leserin bzw. dem Leser die Möglichkeit geben, sich die Situation vorzustellen, sie einzuordnen und zu bewerten.

Quelle
Erzählperspektiven: Beispiele (Merkmale, Wirkung). Der Lehrerfreund vom 11. Jänner 2015.

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